Kaum eine technologische Entwicklung hat — gemessen an der Anzahl der Nutzer — so viel Erfolg in so kurzer Zeit erzielen können wie ChatGPT. Lediglich fünf Tage hat das System gebraucht, um eine Million Nutzer zu gewinnen. Dafür haben selbst marktführende Unternehmen und Plattformen Jahre gebraucht!
Die Transformer-Technologie hinter ChatGPT
Sicherlich hat der Medien-Hype eine Rolle gespielt: Wir alle wollten das Sprachwunder erleben, dessen Fähigkeiten stark an Science-Fiction-Erzählungen erinnern. Aber es ist nicht zu leugnen, dass der Hype teilweise begründet ist. Hat ChatGPT doch alte Hasen der KI stark beeindrucken und überzeugen können. Selten war der Schein so überzeugend, dass die Maschine menschliche Sprache verstehen und nicht lediglich verarbeiten würde.
OpenAI — die Firma hinter ChatGPT — setzt seit Jahren auf die sogenannte Transformer-Technologie. GPT steht ja für General Pre-trained Transformer. Diese Technologie ist dem KI-Teilbereich maschinelles Lernen zuzuordnen. Abstrakt gesprochen, wandelt ein Transformer eine vorgegebene Zeichenfolge in eine andere Zeichenfolge um. Im Laufe eines aufwändigen Trainingsprozesses lernt ein Transformer, den vielfältigsten sprachlichen Input in den gewünschten sprachlichen Output zu transformieren. Das Ergebnis ist ein sogenanntes großes Sprachmodell (Large Language Modell), welches im Falle von ChatGPT 175 Milliarden Parameter umfasst!
Sprachmodelle: Eloquenz mit Schwächen
Die beeindruckenden Beispiele aus ChatGPT verstellen aber leicht den Blick auf die Herausforderungen, denen sich diese Transformer-Technologie noch stellen muss. Wir können ernstzunehmende Herausforderungen in drei Feldern erkennen: Verlässlichkeit, Fehlen von Fachwissen, und Mangel an analytischen Fähigkeiten.
Transformer-Systeme halluzinieren, wie es im Sprachjargon der KI so schön heißt. Und ChatGPT ist keine Ausnahme. Trotz seiner beeindruckenden Leistung kann ChatGPT leider keine hundertprozentig verlässlichen Antworten liefern. Wird z.B. dieselbe Frage mit etwas anderem Wortlaut, aber gleichen Inhalt gestellt, so ist es durchaus möglich, dass man eine völlig andere Antwort bekommt, die vielleicht sogar inhaltlich falsch ist. Gravierender ist: Die Antwort klingt oft logisch und ist eloquent formuliert. So ist es für Laien auf einem Gebiet nur schwer möglich, Fehler zu entlarven.
Es ist fraglich, ob sich dieses Verlässlichkeitsdefizit ganz beseitigen lässt. Denn allem Anschein zum Trotze durchdringt ein Transformer-System weder die Aufgabenstellung noch deren Kontext. Vielmehr analysiert es die semantische Nähe von Wörtern und Satzteilen mittels mathematischer Verfahren. Deswegen bleibt die menschliche Überprüfung am Ende unabdinglich.
ChatGPT verfügt nicht über Fachwissen. Dies ist auch verständlich. Denn: Wie der Name schon sagt, sollte ChatGPT general, also allgemein, operieren. Diese Limitierung wird sich vor allem im industriellen Kontext bemerkbar machen, wo Fachwissen für den erfolgreichen Einsatz eines Chat-Systems eine Voraussetzung darstellt. Noch mehr: ChatGPT hat — genauso wie andere Transformer-Modelle — keine analytischen Fähigkeiten. Es kann also weder schlussfolgern noch ableiten. Es kann keine tiefgreifenden Zusammenhänge erkennen.
Luminous - Eine Alternative zu ChatGPT
ChatGPT ist nicht das einzige System für die natürliche Sprachverarbeitung. Denn schon seit Jahren wird die Transformer-Technologie im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung und der Bilderkennung eingesetzt. Auch ist es nicht notwendigerweise das beste System auf dem Markt. Je nach Kontext kann die Anwendung eines anderen Transformer-Models sinnvoller sein. So haben wir in Deutschland z.B. auch ein Transformer-basiertes, großes Sprachmodell von der Firma Aleph Alpha. Das Luminous-System der Heidelberger Firma kann sich spezifisches Fachwissen aneignen und dieses in die Beantwortung von Fragen einbeziehen. In Punkto Leistung oder Größe des Sprachmodells ist Luminous auf demselben hohen Niveau wie GPT-3 oder ChatGPT.
Ein weiteres Merkmal von Luminous ist, dass es datenschutzkonform aufgebaut ist. Anders als bei ChatGPT werden Dialoge, die man mit dem System führt, bei Luminous weder gespeichert noch zum weiteren Training genutzt und es ist in einem zertifizierten Deutschen Rechenzentrum gehostet. Auch im Gegensatz zu ChatGPT schafft Luminous Transparenz und Erklärbarkeit. Alles sehr wichtige Themen, wenn über einen professionellen Einsatz solcher Systeme in Europa nachgedacht werden soll.
Fazit
ChatGPT hat nicht nur einen Hype erzeugt, sondern auch Ängste beschwört. Genauso wie wir bei den Chancen zu mehr Sachlichkeit plädiert haben, so tun wir dies auch bei den vermeintlichen Risiken! Transformer-Systeme werden uns nicht die Jobs wegnehmen. Kein KI-System kann heute — oder auf absehbare Zeit — den Menschen ersetzen. ChatGPT kann nicht durchgängig richtige Antworten liefern, komplexen Programmiercode schreiben, oder Artikel ohne menschlichen Eingriff verfassen. Systeme der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens werden das tun, was sie immer getan haben: Uns Menschen in zunehmend vielen Bereichen bei der Arbeit unterstützen und unsere Produktivität steigern.
Über den Autor
Christian Meyer ist Principal Consultant bei msg systems ag in Hamburg und leitet die Entwicklung des KI-Prüfverfahrens bei msg. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit KI und hat mehrere Startups mit KI-Lösungen aufgebaut und geleitet.